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28/8/2008

An einen Teilnehmer: Warum sieht ein Führungsmodell für meine Organisation so aus?

Liebe Leserinnen und Leser,

die meisten von euch kennen mich als Lehrtrainer für Berater und Coaches am Institut in Wiesloch (deshalb häufig das vertrauliche „Du“ im Blog, das wir auch dort pflegen). Manche kennen mich auch in meiner Rolle als Führungskräfte-Trainer und Coach. Und heute ist das eine öffentliche Antwort auf eine offene Frage eines Teilnehmers eines meiner Führungskräfteseminare und ein Bekenntnis zu einem Fehler...

Vor einigen Wochen führte ich ein Führungskräfte-Seminar durch mit der Überschrift „Selbstführung“ durch. Ein Baustein in einer Seminarreihe für neu ernannte Manager, also Führungskräfte mit erster disziplinarischer Aufgabe. Die Reihe habe ich schon ein paar mal mit wechselnden Trainerkollegen durchgeführt. Neben der Vermittlung von Fachinhalten steht auch ein kleiner Teil persönlicher Erfahrung und Reflektion auf dem Programm.

In Trainerkreisen sagt man: „Allem Anfang wohnt ein Zauber inne“. Und so lege ich Wert auf einen guten Anfang. Die ersten Minuten der Einführung verstrichen und um dem Training einen inhaltlichen Rahmen zu geben, stellte ich auch das zu Grunde liegende Führungsmodell vor. Tja: Und dann kam eine Situation in der ich wohl einfach zu viel im Kopf hatte und zu wenig bei meinen Teilnehmern war.
Einer der Teilnehmer fragte mich: „Und wieso sind ein Führungsmodell für meine Organisation so aus?“

Die Antwort: „Führungsmodelle gibt es wie Sand am Meer“ war sicher reichlich schwach und die lange Erklärung über die Entwicklungsgeschichte umso mehr. Später dachte ich: „Ganz schön blöd gelaufen“. Der Teilnehmer war zu Recht irritiert. Deshalb hier eine halbwegs durchdachte Antwort. Ich hoffe lieber Teilnehmer, ich kann mit dieser Antwort im Nachhinein ein wenig mehr Klarheit bei Ihnen herstellen...

Führungsmodelle dienen der Orientierung der Führungskräfte  bei Führungstätigkeiten. Es sind unterschiedliche Perspektiven auf ein Betätigungsfeld. Bildlich gesprochen sind einzelne Elemente wie Scheinwerfer, die das Thema von verschiedenen Seiten ausleuchten. Ich finde die Metapher deshalb passend, weil die gleichen „Gegenstände“ bei unterschiedlichem Licht einen anderen Eindruck beim Betrachter hinterlassen.

Ein  Beispiel: „Mitarbeiter“ unter der Perspektive Selbstführung betrachtet ergeben andere Themen als unter der Perspektive Geschäftsführung.

Die Auswahl dieser Perspektiven hängt zum einen mit von der Zielsetzung einer Trainingsmaßnahme ab, der i.d.R. eine Bedarfs- oder Gapanalyse vorausgeht. Die Analyse hängt zwingend mit dem Unternehmenszweck und den zu Grunde liegenden Geschäftsmodellen zusammen.

Ein weiteres Beispiel: Führung eines Unternehmens im Medienbereich, das wenig Festangestellte und viele Freiberufler beschäftigt sieht anders aus, als bei einem High Tech Fertigungsbetrieb. Unternehmensgröße, Komplexität der Organisation (Schnittstellen) sowie unterschiedliche Kern- und Supportprozesse verlangen nach einem unterschiedlichen Rollenverständnis einer Führungskraft und auch einer differenzierten Kontextkompetenz.
Jetzt der Versuch einer weiteren Vereinfachung:
Führungsmodell = (Geschäftsmodell + Unternehmensstrategie + Kontext) x Trainingsbedarf (SOLL – IST)

Leider lässt sich mit der Formel ein qualitatives Modell nicht wirklich errechnen, aber es lässt sich einiges davon ableiten. Ich sehe darin:

1. Ohne den Beitrag der einzelnen Bestandteile des Produktes ist ein Führungsmodell nicht sinnvoll zu erstellen.

2. Der Trainingsbedarf ist deshalb so wichtig, weil ein deskriptives Führungsmodell (beschreibt die Art und Weise der Führung) zwar die Erkenntnis fördert aber nicht die Führungsfähigkeit an sich.

3. Im Kontext sind Faktoren, Zwänge und Notwendigkeiten, die von außen auf das Unternehmen wirken abgebildet, die sich auch in der Führung wiederfinden.

4. Ich meine in der Entwicklung der letzten Jahre zu sehen, dass durch den zunehmenden Bezug von Führungsmodellen auf Kontext und Strategie eine wesentliche Qualitätssteigerung erreicht wurde. Und auch eine höhere Plausibilität und Akzeptanz bei den Führungskräften. Modelle ohne Geschäfts- und Umfeldbezug sind zwar möglich, aber generisch/akademisch.

5. Der Trainingsbedarf ist hier am Verhalten orientiert gemeint. Das Zielverhalten selbst ist wiederum Abhängig von Geschäft, Strategie und Umfeld, damit ist die Formel vielleicht logisch nicht korrekt, aber ich hoffe, das wesentliche kommt bei der Erklärung zu Tage...
Ich hoffe, dass das mehr zur Erklärung als zur Verwirrung beiträgt und bin dankbar für Kommentare...

Und ich hoffe, meinen Teilnehmern immer mehr gerecht zu werden. Mein geschätzter Beraterkollege Jaakko meinte dazu: „Vielleicht ist es wichtiger nachzusehen, was die Teilnehmer wirklich brauchen, als das was im Programm steht“.

Mehr zum Thema Führungskräfteentwicklung bei Markus Schwemmle hier...

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