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11/2/2010

Coachingtipp: Externalisierung des Problems

Hallo liebe Coaches und solche in Ausbildung,

öfter findet sich in meinem Blog auch der eine oder andere Coachingtipp. Einfach um euch an hilfreiche Interventionen zu erinnern. Diesmal eine kleine Abhandlung über die Arbeit mit Externalisierungen. Zur Gebrauchsanleitung für diesen Artikel: Ich schreibe dies vor allem für Menschen die bei mir in Ausbildung zum Berater und Coach sind und verwende deshalb das vertrauliche „Du“...

Angenommen ihr hättet einen Coachee mit einem sogenannten Problem. Ja, das kommt auch bei mir wirklich häufiger vor ;-)

Die Externalisierung ist dabei für mich eine der wirksamsten Interventionen.

Eigentlich ist für die Arbeit mit Klienten gar nicht so wichtig, warum was funktioniert. Trotzdem will ich eine Erklärung des Wirkmechanismus voran stellen, obwohl das ja eigentlich auch nur eine Wirklichkeitskonstruktion ist.

Damit Menschen überhaupt ein Problem haben, müssen Sie erstmal ganz schön viel Energie aufwenden. So gehört dazu ein Ist-Zustand und ein Soll-Zustand. Damit hat man aber noch lang kein Problem. Es beginnt damit, den Ist-Zustand als möglichst unangenehm zu definieren. Je mehr nun dieser momentane Ist-Zustand unangenehm wird umso mehr steigt die Wahrscheinlichkeit eines Problemempfindens. Das klingt vielleicht so, als gäbe es immer Möglichkeiten unangenehme Zustände bewusst anders zu empfinden. Das erzählt mal einem der wirklich sehr verzweifelt ist. Es wird ihm nicht helfen, denn jeder Problemzustand ist in seiner Art und Weise wie er erlebt wird in jedem Fall komplett ernst zu nehmen. Das ist auch der Grund, weshalb ich finde, dass die amerikanisierte Form von lösungsorientiertem Arbeiten in unserem Kulturkreis zwar eine gute Idee ist, für einige Klienten allerdings wirklich viel zu schnell geht. Das Problem wird einfach zu wenig in den Blick genommen und die Bereitschaft zur Veränderung nicht ausreichend erzeugt.

Zurück zum Wirkmechanismus. Ein Teil des Problems ist das Problemempfinden des IST-Zustands. Noch problematischer wird es dann, wenn der SOLL-Zustand idealisiert wird und mithin kaum mehr erreichbar erscheint. Es reicht also nicht, sich selbst als hässlich zu empfinden und sich nicht gerade als Pendant von Brad Pitt zu erleben. Nein, das Minimum was man als Angebetete akzeptieren würde ist dann ausgerechnet auch noch Angelina Jolie. Ja, so langsam hat man wirklich ein Problem. Und wenn es dann noch gelingt diesen Sachverhalt ständig in den Blick zu nehmen und von allen Seiten zu beleuchten, dann... genau dann wird das langsam zur wirkungsvollen Problemtrance.

Dabei will ich einfach noch mal betonen, dass das Problemerleben von den Betroffen als wirklich echt und bedrohlich erlebt wird und vor allem für Angehörige und auch für den Coach durchaus sehr real und nachvollziehbar sein kann und nichts mit dem humorvollen Beispiel mehr zu tun hat. Dabei geht es auch nicht darum, dem Klienten das Symptom quasi „auszureden“. Auch da ein drastisches Beispiel: Versucht doch mal einem Mobbingopfer auszureden, dass er oder sie gemobbt wird und das alles Einbildung ist... Dann ist die Gesprächsführung doch vielleicht eher vergleichbar mit den guten Ratschlägen von Freunden, die des Themas überdrüssig sind.

Noch schwerer wird die Situation dann vor allem, wenn man sich Personen sehr stark mit ihrem Problem identifizieren, also nahezu zum Problem werden. Man hört immer mehr „Ich HABE das Problem“. Ja, so könnte man fragen: „Wo haben Sie’s denn?“ Und wenn die Frage ernst genommen würde, dann würden die Personen auf sich selbst deuten. Der Fachchinesisch heißt diese starke Identifikation auch Assoziation. Jemand ist stark mit der Problemseite assoziiert (und mit der Lösungsseite dissoziiert). Also könnte man sich diesen Umstand zu Nutze machen und mit den Klienten in der folgenden Richtung arbeiten:

Coach: „Wie wäre es denn, wenn Sie ihr Problem mal für einen Moment nicht mehr hätten?“

Klient: „Na das ist aber unwahrscheinlich.“

Coach: „Ich würde Ihnen da gerne ein Experiment anbieten um zu sehen, ob das an ihrem Erleben etwas verändert – und sei es vielleicht auch nur ein klein wenig in die gewünschte Richtung.

“Klient: „Interessieren würde mich das schon...“ usw...

Methodisch gesehen könnt ihr alle möglichen Varianten mit dem Klienten durchspielen. Eine Variante davon sieht vor, dass ein dritter Stuhl im Dreieck zur Beratungssituation dazugestellt wird. Es empfiehlt sich vorher ein Einkauf in einem Ein-Euro-Geschäft (das sind die Läden, in denen ich die meisten guten Ideen für Requisiten für effektive Moderation & Coaching bekomme). Vielleicht habt ihr dort das so ziemlich hässlichste Stofftier eures Lebens gekauft, das ihr jetzt dem Klienten auf dem Stuhl präsentieren könnt...

Coach: „Angenommen, wir hätten ihr Problem hier auf dem Stuhl und es wäre mal für einen Moment nicht in Ihnen drin...“

Wichtig dabei ist die Rahmung und eine langsame Geschwindigkeit. Es geht mehr darum, dass der Klient auch wirklich mitkommt bei der Geschichte und auch ein Stück weit erleben kann, wie sich da sein Problem vor ihm materialisiert...

Der Vorteil ist, dass ihr jetzt beide über das Problem, wie über eine dritte Person sprechen könnt und mit dem Coachee eine Art Interview führen könnt über „sein“ Problem. Fragen könnten sein...

Wann ist das Problem besonders aufsässig aktiv?

Wann ist es weniger präsent?

Wie merkt der Klient, dass es im Anmarsch ist?

Wie merkt er, wie es sich entfernt?Wer bringt es vorbei? Wer nimmt’s wieder mit? Was wird durch seine Anwesenheit schlimmer? Vor was bewahrt ihn das Problem aber auch? Usw.usw....

Wichtig finde ich dabei allerdings vor allem die Frage nach dem Befinden, wenn das Problem mal gegenüber sitzt und nicht in einem drin ist. 70% aller meiner Klienten fühlen sich spontan besser, lernen ein Stück weit wie es ist, in dieser Art über sich und das sogenannte Problem nachzudenken. Dieser Zustand gibt ihnen viele Möglichkeiten anzuknüpfen. Zum Beispiel zu überlegen was sie denn statt dessen empfinden, wenn sie das Problem mal nicht „haben“, sondern es eher vor ihnen sitzt. Im nächsten Schritt könnte man sie dann mit ihren eigenen Ressourcen (also z.B. den Fähigkeiten der Problemlösung) assoziieren.

Ja, und zum Abschluss verschenke ich meistens das hässliche Stofftier, damit man sein Problem auch wieder mitnehmen kann mit der Erlaubnis, alles damit machen zu dürfen... Neulich berichtete mir ein Klient von einer symbolischen Problemverbrennung. Ist vielleicht nicht gut für die Umwelt – ihm hat es weitergeholfen ;-)

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