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31/8/2011

Urlaub als Retail Therapy ?

Kaum sind manche Menschen im sogenannten Urlaub, scheinen Sie vor allem zunächst einmal ihre Selbstkontrolle im Sinne ihrer Selbststeuerung zu verlieren. Und wer kennt das nicht: Endlich mal in den Tag leben können. Aufstehen, wann man selbst es will (oder vielmehr: Wann „es“ in mir aufstehen will). Dann wenn der erste Urlaubstag es will kann man sich konsequent alles gönnen, was „es“ so braucht. Nach einigen Tagen scheint sich dieses erste Urlaubsglück zu verflüchtigen und „mehr davon“ bringt die flüchtigen Glücksgefühle dieser „Retail Therapy“ nicht mehr zurück... Je mehr Urlaubsglück man konsumiert umso weniger kommt das Glück...

Was hat Urlaubsglück mit unserer Empfindungsfähigkeit zu tun?

Hedonistisches Glück orientiert sich in erster Linie an Gegensatzpaaren:

Schön vs. Nicht schön

Angenehm vs. Unangenehm

Mögen vs. Nicht mögen

Und jetzt besteht die Lebensaufgabe, sich in den Genuss der schönen Dinge zu begeben. Das funktioniert am Anfang noch ganz gut, weil man aus einer Empfindungsphase kommt, die sowohl schöne als auch nicht so schöne Phasen enthält. Es scheint so zu sein, dass sich nach einigen Tagen intensiver Hingabe an einen hedonistischen Lebenswandel die Seele sich neu auf ein inneres Neutral „eicht“. Die Überraschung im erneuten Genuss verfliegt – „es“ gewöhnt sich an die neue Situation.

Der innere Reflex des „noch mehr“ an Genuss bringt dann einfach nicht mehr den Kick. Da hilft dann leider auch keine billige Markenjeans oder das x-te T-Shirt im lustigen Urlaubsdruck aus dieser Misere. Dieses Phänomen ist allerdings schon seit dem Altertum bekannt.

In der antiken Sage ging es schon Herkules so, der sich eines Tages an einer Weggabelung befand. Der eine Weg führte über saftig grüne, herrliche Wiesen in eine sich verdunkelnde Ferne. Der andere Weg verlief über steinige Geröllfelder auf einen warm glühenden Sonnenuntergang zu. Während Herkules noch überlegte, welcher von beiden Wegen wohl der bessere wäre kamen aus der ferne zwei Frauen auf ihn zu. Die eine war sich ihrer eigenen Schönheit vollends bewusst und hatte auch sonst viel dafür übrig ihre eigene Schönheit zu bewundern. Sie war in äußerst kostbaren Gewändern gekleidet, die ihren rundlichen, üppigen weiblichen Formen sehr schmeichelten. Diese Frau versprach Herkules ein Leben ohne Krieg und Leiden dafür mit immerwährendem Genuss und Reichtum, wenn er nur dem blumenreichen Pfad folgen würde. Die andere war in ein schlichtes weißes Gewand gekleidet, erschien sanftmütig und bescheiden. Sie erklärte ihm, dass Freundschaft und Ehre, sowie die Liebe der Götter und Mitmenschen nur auf dem Weg der Mühe und Ausdauer zu erreichen sei. Der Weg sei nicht ohne Schmerzen würde aber jenseits von kurzlebigen Freuden zu dauerhafter Erfüllung führen.  Übrigens hat sich Herkules für den steinigen Weg entschieden... Dadurch wurde er immerhin zu einer Gottheit im Olymp ;-)

Auch für den Pfad der Tugend gibt es eine wissenschaftliche Beschreibung: Eudämonisches Glück. Dies hat vor allem mit der Umsetzung von Werten im konreten Alltag zu tun, der Menschen in ihrem Handeln einen Sinn verleiht, also immer eine gute Antwort auf die Frage bietet: „Warum handle ich auf eine bestimmte Weise in einem bestimmten Feld?“

Jetzt könnte der geneigte Leser feststellen: „Das läuft auf die alte Geschichte hinaus: Lasse das lasterhafte Lustleben und sei ein Heiliger – kennt man schon und macht halt keinen Spaß.“ Tut es nicht. Erstens sind sowieso beide Strömungen in uns vorhanden. Keiner ist frei von Lustgefühlen, die sich bei intensivem Genuss einstellen. Es geht wie bei vielen interessanten Konzepten nicht um ein „entweder – oder“. Geht es dann um ein „sowohl - als auch“?  In gewisser Weise schon. Es braucht noch mindestens zwei hilfreiche Zutaten: Bewusstsein und ein gesundes Maß.

Es macht einen Unterschied, ob man unbewusst einem Genuss nach dem anderen hinterherjagt oder ob man in der Lage ist bewusst zu genießen. Einem, der bewusst genießt wird sehr schnell klar, dass er nur zu einem bestimmten Maß an Genuss überhaupt fähig ist – sonst wird aus Genuss Völlerei und die führt ganz sicher nicht zu angenehmen Empfindungen, sondern dazu, dass man ein Zuviel rückwärts wieder loswerden will. Wer sich eines Genusses bewusst wird steigert damit langsam seine Genussfähigkeit. Die Bandbreite der Erkenntnis eines Genusses wird dann langsam aber sicher ausgedehnt und verbreitert. Man erkennt dann einen genussfähigen Moment früher und kann ihn eher auskosten, ohne dass man sich einen Standardgenuss konsumartig immer wieder beschaffen muss wie ein Drogensüchtiger.

Zum Glück gibt es Wissenschaftler, die dieses Phänomen auch schon beforschen. Die Theorie heißt „Broaden-and-Build“ Theorie von Barbara Fredrickson. Ihre Forschung zeigt, dass das Erleben guter Gefühle (der eher hedonistische Anteil) eine positive Auswirkung auf unsere psychische Ausrichtung hat und dazu führt, dass eudämonische Tendenzen gestärkt werden. Das Erleben guter Gefühle erweitert unsere Aufmerksamkeit, unsere Wahrnehmung und unsere Handlungsmöglichkeiten. Wenn es uns gut geht sind wir kreativer, hilfsbereiter und fühlen uns mit anderen Menschen mehr verbunden. Das ist der sogenannte „Broaden-Effekt“ in der Theorie. Das ist allerdings nur der erste Schritt. Bei entsprechendem Bewusstsein führt der erweiterte Wahrnehmungs- und Handlungsrahmen zum Anwachsen persönlicher und sozialer Ressourcen. In der Forschung von Fredrickson scheinen negative Gefühle trotzdem wichtig für die persönliche Weiterentwicklung. Bei einem Quotienten von statistisch 2,9 positiven Gefühlen zu 1 negativen Gefühl verläuft der Aufbau dieser inneren Ressourcen optimal. In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern einen genussvollen und ressourcenaufbauenden Resturlaub. Vergessen Sie darüber hinaus nicht, auf steinigen Wegen die kleinen Pflanzen am Wegesrand zu bewundern und ihre Existenz zu genießen...

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