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28/12/2016

Weihnachten schwerelos...

Ich weiss nicht, wie ihr Weihnachten verbracht habt. Ich möchte mein Weihnachtserlebnis in diesem Jahr einmal metaphorisch beschreiben, in einer anderen Art der Weihnachtsgeschichte:

Es begab sich also zu der Zeit, dass sich Menschen schon im September auf Weihnachten ausrichteten. Das macht sich zu diesem Zeitpunkt des Jahres vor allem dadurch bemerkbar, dass es im Spätsommer schon bergeweise Nikoläuse und Lebkuchen in den Supermärkten zu kaufen gibt. Im Prinzip beginnt da schon die Ernährungsumstellung, die das Gegenmodell der Bikini- oder Badehosenfigur zum Ziel hat. Alles im Übermaß, was ein Weihnachtsastronaut so braucht. Wie in jedem Jahr beginnt der Weihachtscountdown dann in etwa im Oktober mit einem minutiösen beruflichen Fahrplan, der weder Störungen auf infrastruktureller Seite (z.B. Verspätungen der Bahn oder Flugausfälle durch Streik) besonders vertragen kann, noch irgendwelche Infektionskrankheiten. Am Anfang steigt die Weihnachtsrakete dann mit viel Treibstoff und Getöse in den Himmel und die Beschleunigung hält sich noch in Grenzen. Mit der Zündung der zweiten Stufe im November steigt auch die Beschleunigung deutlich an. Noch ist durch Drücken des Not-Aus-Schalters schlimmeres zu verhindern, das will aber keiner und unaufhaltsam rasen die Weihnachtsastronauten dem Weltall entgegen. Für die Zündung der dritten Stufe nehme ich mir persönlich ja immer noch eine Woche Auszeit auf Fuerteventura, aber hinterher geht es dann gefühlt genau so rasend weiter wie zuvor, nur dass man nach Abwurf der zweiten Stufe und vor Zündung der dritten mächtig in den Gurten hängt. Dann die letzten Wochen, die letzten Tage. Ich frage mich: Was hätten die Astronauten der Mondmissionen wohl gemacht, wenn sie schon ein Smartphone gehabt hätten? Noch schnell aus der Quarantäne ein paar Weihnachtsgeschenke im Internet bestellen? Noch den einen oder anderen Blogbeitrag schreiben? Ein Video auf YouTube veröffentlichen? Wer weiss. Und dann kommt der Countdown bis zum endgültigen verlöschen der Triebwerke: Noch „3, 2, 1,“ Tage bis zum Eintritt der Schwerelosigkeit. Bis zu diesem Zeitpunkt merkt man gar nicht, dass man den Übergang ins Weltall eigentlich schon geschafft hat - so stark ist nach wie vor der Schub. Dann heisst es: „0“. Der Schub des Alltags ist vorbei und auf einmal ist alles anders. Die rasende Geschwindigkeit noch in den Knochen wird es heilig still. Und jede Bewegung erinnert einen daran, wie Schwerelosigkeit so ist. Kaum hat man die Gurte gelöst tritt ein merkwürdiger Schwebezustand ein, von dem manch einem auch schwindelig werden kann. Kein Oben und kein Unten mehr, sondern alles ist um einen herum. Ja, und es machen sich vielleicht Bedürfnisse bemerkbar, die man vorher während dem rasenden Start nicht gespürt hat. Bedürfnis nach Stille, nach Innenschau, aber vielleicht auch nach Reibung mit einem Partner, neben dem man die letzten Monate einfach nur funktioniert hat. In der plötzlichen Schwerelosigkeit gelten einfach auch andere Gesetze - wohl dem, der neugierig forschen kann und seine eigenem Verletzungen und seine Sorgen hinten an stellt. Nur dann kann man für andere und mit anderen Neues entdecken. So etwas nennt man Resilienz: Die Fähigkeit durch äußere Umstände nicht verletzt zu werden. Und so schön das Versprechen von Weihnachten ist - so trügerisch ist es. Endlich in der Weihnachtskapsel in der Schwerelosigkeit. Da könnte man doch den Anderen alles Eigene zumuten. Das Gegenteil ist der Fall. Im All geht es mehr als alles andere darum, die eigene Balance zu halten, gerade weil es kein Oben und kein Unten mehr gibt. Wer sich dort verliert wird hart landen, wenn die Schwerkraft im neuen Jahr wieder einsetzt.

Vielen Astronauten sagt man ja nach, dass sie den Aufenthalt im All nicht vergessen können und diese heiligen Momente lange motivieren und tragen. Ich wünsche euch, dass die Schwerkraft nach den Weihnachtstagen eher langsam wieder einsetzt und ihr eine gute Landung im Alltag erlebt.

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