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14/5/2019

Wenn wir Gleichheit mit Gerechtigkeit verwechseln

Inspiriert von einem Interview von Gabor Steingart mit Herrn Wolfgang Reizle dem Aufsichtsratschef von Linde möchte ich hier ein wesentliches Thema vertiefen, das mich seit einiger Zeit begleitet und immer wieder beschäftigt. Ausgangspunkt war damals die Erkenntnis, dass im Miteinander in Teams und jeder Art von Austauschbeziehung immer wieder darum geht, wie wir einander gerecht werden. Herr Reizle hat mir eine weiterführende Erkenntnis beschert, denn ich bin davon ausgegangen, dass dieses ‚einander gerecht werden‘ in erster Linie eine sehr subjektive Sicht ist und der Versuch äußere Maßstäbe dafür heranzuziehen eine Form der Rationalisierung einer Projektion ist. Jetzt kann ich den inneren Mechanismus in Worte fassen:Die einseitige Interpretation von Gerechtigkeit liegt in der Gleichsetzung mit Gleichheit, d.h. die Formel lautet Gerechtigkeit = Gleichheit.

Dann ist jede Ungleichheit automatisch eine Ungerechtigkeit. Mit dieser Zuschreibung bleibt jede Form von Zusammenarbeit unter ihren Möglichkeiten. Gleichmacherei verhindert Innovation, weil es ja nur gerecht ist, wenn alle an der Ideenfindung am besten zur gleichen Zeit beteiligt sind. Es geht in der erfolgreichen Kooperation um die Würdigung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden gleichermaßen und damit um den Respekt vor der Individualität und der Verbindung zueinander gleichermaßen.Ich finde die Schlussfolgerungen von Herrn Reizle interessant, dass wir möglicherweise als Kollektiv mehr mit Gleichmacherei beschäftigt sind (z.B. durch übermäßige Betonung auf Umverteilung statt auf Zukunftsgestaltung) als mit der Zukunftsgestaltung an sich. Das deckt sich mit meiner Erfahrung aus Kundenprojekten und aus meiner eigenen Organisation. Dort erlebe ich manchmal die Haltung von „was bekomme ich dafür, wenn ich für dies oder jenes verantwortlich eintrete?“ Die Erwartung ist dann ein sofortiger Payback ohne dass die erwünschte Wirkung schon eingetreten ist.

Als verantwortlicher Unternehmer ist das eine merkwürdige Vorstellung, denn das würde bedeuten, dass meine Kunden mich für etwas bezahlen, was ich noch gar nicht geleistet habe.Wir müssen alle mehr damit leben, dass wir manchmal für etwas arbeiten und noch nicht wissen ob sich das finanziell lohnt. Für mich persönlich ist der Lerngewinn noch wesentlich wichtiger. Nur wenn ich mich mit etwas in der Tiefe beschäftige, kann ich neue Kompetenzen erwerben. So ist mein heutiges Führungsverständnis mit dem als angestellter Manager vor 12 Jahren nicht zu vergleichen, auch wenn ich mich damals wie heute für einen verantwortungsbewussten Menschen halte. Ich bin aber heute viel unmittelbarer verantwortlich als damals. Für mich ist der Weg aus diesem Missverständnis von Gerechtigkeit übrigens der Dialog über Verantwortung. In welcher Art und Weise nimmt jemand in seiner Rolle Verantwortung wahr? Als Bürger ist das mindeste der Gang zur Urne, mehr noch kann ich aber durch mein engagiertes Handeln einen Beitrag leisten. Wer andere in ihrem engagierten Handeln kritisiert sollte sich fragen, ob das aus der einseitigen Sichtweise von Gerechtigkeit kommt. Engagierte Menschen sollten sich jedoch davon nicht bremsen lassen, sondern im besten Sinne zur Mitwirkung einladen. Als Unternehmer kann ich es mit dem Liedtext eines meiner Lieblingslieder sagen: Don‘t stop me now... (Queen)

Hier der Link zum Interview von Gabor Steingart: https://www.gaborsteingart.com/newsletter-morning-briefing/viermal-zukunft-2/?wp-nocache=true

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