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1.6.2012

Was ist lösungsorientiert?

Ein Blick auf den nächsten Schritt

In der Beraterszene ist der lösungsorientierte Ansatz sehr beliebt. Der lösungsorientierte Ansatz basiert auf den Ideen der lösungsorientierten Kurztherapie von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg. Als ich anfing, mich bewusst, verstärkt auf lösungsorientierte Methodenelementen in Beratung und Coaching zu konzentrieren, gab es bei Wikipedia gerade den Eintrag zur „lösungsorientierten Kurztherapie“. Der Beitrag zum „lösungsorientierten Ansatz“ ist erst sei 2011 veröffentlicht.

Methoden unterscheiden sich in ihrem Verständnis, wie Veränderung entsteht. Mit dem Grundverständnis geht neben der Methode auch ein bestimmtes Rollenverständnis des Beraters einher. Somit ist neben der Methode selbst auch die damit verbundene Haltung des Beraters ausschlaggebend, inwieweit eine eingesetzte Methode vom Kundensystem akzeptiert wird. Eine Reihe von Methoden beruht auf einem Veränderungs-Verständnis, bei dem der Berater zum Fachmann wird. Dazu gehören Methoden, die davon ausgehen, dass Veränderung durch besseres Wissen entsteht. Der Berater erkennt mit seiner kritischen Analysefähigkeit falsche Überzeugungen und findet bessere Alternativen, um in entsprechenden Situationen beim Gesprächspartner die passenden Überzeugungen zu aktivieren. Der Berater fungiert als Experte für besseres Wissen. Ein weiteres Grundverständnis ist, dass Veränderung durch besseres Verstehen entsteht und geht davon aus, dass verborgene Motive zur ständigen Wiederholung problematischer Verhaltensweisen führen. Der Berater ist auch hier Fachmann - nämlich für die Entschlüsselung von unerkannten Motiven, Beziehungsmustern und Handlungsfaktoren mit dem Ziel, die Bremse zu lösen, anstatt stärker auf’s Gas zu treten. Das Risiko beim Einsatz solcher Methoden ist, dass der Berater als Besserwisser erlebt wird, der von der Praxis keine Ahnung hat.

Anders bei der lösungsorientierten Beratung: hier agiert der Berater auf Augenhöhe des Gesprächspartners. Die Haltung ist durch ein positives Menschenbild, Wertschätzung, Nicht-Wissen und Hoffnung geprägt. Von Ben Furman kommt der Ausspruch: „Probleme sind verkleidete Ziele.“ Der Berater nimmt eine fragende Haltung ein. Der Klient gibt die Ziele vor. Das Gespräch geht über Ressourcen und Fähigkeiten und richtet sich auf Gelungenes und das Gelingen. Der Berater bewirkt Veränderungen indem er verstärkt, was bereits wie gewünscht funktioniert.

Aktuelle Erkenntnisse der Hirnforschung - insbesondere das Konzept der Neuroplastizität - besagen, dass das Gehirn seine Struktur und seine damit zusammenhängende Funktion laufend verändert und der gemachten Erfahrung anpasst. Veränderungen ereignen sich also fortwährend und sind unvermeidbar. Lernen ist die Verstärkung synaptischer Verbindungen zwischen Neuronen.

Wenn man in komplexen Situationen und Systemen die Aufmerksamkeit der Beteiligten auf alles lenkt, was noch nicht wie gewünscht funktioniert und damit auf die Fehlersuche, dann entwickeln die Beteiligten eine hohe Kreativität, um die Schuld für den Ist-Zustand in die Schuhe anderer zu schieben.

Hilfreicher ist oft, unvoreingenommen zu beobachten, was alles wie gewünscht funktioniert, um in kleinen Schritten mehr davon zu tun. Der lösungsorientierte Berater lenkt die Aufmerksamkeit des Gesprächspartners auf beobachtbares Verhalten, auf die Ausnahmen vom Problemzustand und auf die eigenen Stärken und Kompetenzen. Dahinter liegt die Überzeugung, dass Menschen eher kooperieren und sich leichter in einem Umfeld ändern, das ihre Stärken und Fähigkeiten unterstützt. Das erleben Menschen als positive Bestätigung, so dass Engagement und Kreativität für neue Wege freigesetzt wird. Ziel ist stets, den nächsten Schritt zu gehen. „Mehr als den nächsten Schritt kann man gar nicht tun.“ schreibt Martin Walser in Jenseits der Liebe. Und der Lohn dafür: „Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße.“

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