Das Eisberg-Modell - Eine ganz praktische Metapher zur anlassbezogenen Kulturdiagnose und Interventionsgestaltung. Die Metapher kann insbesondere bezogen auf ein Thema, einen Schwerpunkt, ein konkretes Hindernis verwendet werden. Damit können schnell Erkenntnisse und erste Maßnahmen entwickelt werden. Besonders anschlussfähig ist das Konzept in Organisationen, in denen biologistische Konzepte eher abgelehnt werden (z.B. in Ingenieurskulturen).
Ziel ist die Analyse eines kulturellen Hintergrundes bei vordergründiger Faktenlage. Analyse meint in diesem Fall sinngebende, hypothetische Deduktion, d.h. die zu Grunde liegende Kultur muss erschlossen werden, statt erkannt zu werden. Ziel ist einen ganzheitlichen Blick für Interventionen zu bekommen.
Die Intervention findet ihre Anwendung z.B. im Rahmen von komplexen Veränderungsprogrammen, in deren Prozess auch kulturelle Themenbearbeitet werden sollen. Besonders geeignet ist das Konzept für den punktuellen Einsatz. Meist geht es um die Idee der Veränderung einer Kultur zum „Besseren“.
1. Schritt: Beschreibung eines unerwünschten Ereignisses
2. Schritt: Erarbeitung von Mustern (Was wiederholt sich immer wieder?)
Wichtig: In einem Ereignis spiegelt sich noch keine Kultur wieder. Die Annahme ist, dass Aussagen über Kultur erst getroffen werden können, wenn sich Ereignisse musterhaft wiederholen.
3. Schritt: Blick unter die Wasseroberfläche: Welche strukturellen Gegebenheiten unterstützen die Muster?
4. Schritt: Vertiefender Blick: Welche Haltungen, welches Mindset scheinen hier wichtig?
Eine ganzheitliche Betrachtung von Mustern und möglichen Bedingungen auf struktureller und mentaler Ebene. Damit die Gelegenheit der ganzheitlichen Intervention jenseits des oberflächlichen „Managements“ von Ergebnissen.
Ausgangssituation: In einem IT Konzern zeigen sich alle Großprojekte nicht wirtschaftlich („die Ampeln sind rot“). Auftrag an die OE: Bitte die Senior Project Manager schulen!
Analyse mit dem Eisbergmodell:
Muster: Alle Großprojekte sind tatsächlich nicht wirtschaftlich!
Struktur & Kontext: Es findet gerade eine Reorganisation statt, da die gesamte IT-Branche in der Krise steckt. Reorganisation bedeutet einerseits „Sales-Push“ – es soll mehr verkauft werden (Incentivierung nach Auftragseingang) und andererseits wird Personal in den Delivery-Einheiten abgebaut (Cost-cutting). Projektleiter haben weder Einfluss auf den Vertrieb, noch auf das Staffing und können Projekte, die nicht wirtschaftlich zu liefern sind, nicht ablehnen.
Mindset: Der Vorstand sieht nur die unmittelbar Verantwortlichen als „Schuldige“ für die mangelhafte Wirtschaftlichkeit und wünscht sich deshalb die Schulung.
Abgeleitete Interventionen:
· Bewusstsein schaffen für Zusammenhänge im Führungssystem
· Einführung der Möglichkeit für Projektleiter, Projekte begründet abzulehnen
· Integration der Projektleiter in die Vertriebsphase
· Veränderung der Incentivierung des Vertriebes von Auftragseingang zu Projektebit
· Verstärkung der Kultur der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit.
Die Eisberg-Metapher hat verschiedene Quellen, siehe Wikipedia. . Ein Ursprung liegt in der Psychologie. Das Modell wird dort verwendet, um umbewusste Persönlichkeitsanteile von unbewussten Anteilen zu unterscheiden mit der Kernaussage, dass ca. 80% der inneren Handlungsmotive unbewusst seien und dementsprechend nur 20% bewusst. Neben der Anwendung auf das Individuum gibt es eine Quelle zur Übertragung auf das Kollektiv aus dem Bereich der Kulturwissenschaften von Charles E. Osgood, der „Perceptas“ (sichtbare Artefakte) von „Konceptas“ (Werte, Normen) trennt. Auch Edgar Schein hat das Konzept im Bereich der Unternehmenskultur aufgegriffen, wobei die „Seerosenmetapher“ noch mehr mit ihm in Verbindung gebracht wird.