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27/5/2009

Disziplin für den neuen Menschen

In 90% aller Coachings oder Positionierungsberatungen komme ich mit meinen Klienten auf das Vitamin D = Disziplin. Da wird der Mensch kunstvoll erneuert und dann mangelt es an dem Durchhaltevermögen? Gibt es neben genüsslicher oder reuevoller Selbstgeißelung noch andere Wege?

Welche Präferenz haben Sie nach einer Lernerfahrung? Sagen wir mal, Sie hätten ein „Aha“-Erlebnis bezogen auf ihre bisherige Gewohnheit der Mitarbeiterführung als Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens. Überlicherweise hätten Sie allerdings auch noch wahnsinnig viel zu tun. Ihre Tage beginnen vor allen anderen gegen 7.30 Uhr im Büro und enden abends gegen 20.00 Uhr. Oft treffen Sie sich anschließend noch geschäftlich. Da Ihnen Work-Life Balance wichtig ist nehmen Sie sich normalerweise an zwei Abenden Zeit für ihre Familie und an einem Abend reservieren Sie für Freunde. In letzter Zeit haben Sie verstärkt Auseinandersetzungen mit ihren Abteilungsleitern im Unternehmen. Auf Anraten des Personalleiters setzen Sie sich mit einem Coach in Verbindung und beginnen die gemeinsame Arbeit an Ihren Themen. Im Coaching selber gibt es viel zu entdecken, zum Beispiel die Perspektive der Mitarbeiter auf die eigene Wirkung und im übrigen eine Menge guter Vorsätze.

So und jetzt kommts aus der Sicht eines Beraters: Der Klient Geschäftstführer hat sich wirklich weiter entwickelt. Wir haben schließlich auch gemeinsam viel für den Fortschritt getan: Die genaue Klärung des Auftrags ist schon mal 50% des Erfolges und dann der Einstieg in die Bearbeitung des Themas. Systemische (vor allem zirkuläre) Fragen und Rollenspiele haben sein Lernen beflügelt und er gibt am Ende der Coachingsitzung an, dass er einen „großen Schritt“ weiter sei. Fluchs werden noch ein paar erste Schritte vereinbart und ein nächster Termin vereinbart.

Aha, zufrieden geht man dann doch oft selbst aus der Sitzung – wieder einem Klienten weitergeholfen. Zufrieden scheint er zu sein. Alles wunderbar. Oder?

Es kommt wie Sie es schon ahnen: Der Geschäftsführer erläutert in der nächsten Sitzung dass sich eigentlich nichts geändert hätte. Er würde ja wirklich wissen, was er anders machen wolle, aber er habe keine Zeit gehabt und irgendwie sei alles ein bisschen wie zuvor. Zum Beispiel die Einzelgespräche mit seinen Mitarbeitern. Die hätte er dauernd vor sich her geschoben. Er habe ja selbst ein wenig Respekt davor. Und was, wenn die Mitarbeiter wieder Kritik üben würden? Und dann dieses ganze Zeitmanagement. Die Arbeit mit der Aufgabenliste. Das hätte ihm früher schon keinen Spaß gemacht. Meistens hätte er die Liste dann nicht dabei, wenn er Sie gebraucht hätte. Und die Termine mit sich selbst hätte er auch nicht eingehalten, um sich besser zu organisieren. Er wisse ja manchmal gar nicht, was er da machen solle, dann hätte er die Zeit einfach besser genutzt. Und was, wenn da einer drauf kommen würde? Könne er sich das denn wirklich erlauben? Er wäre ja bereit das ganze auch noch mal durchzugehen, vielleicht würde er dann besser verstehen, wie er es angehen könne. Seine Stärke wäre die Disziplin noch nie gewesen, deshalb würde er auch sonst so lange im Büro rumsitzen. Er wäre da gar nicht wirklich produktiv... und so weiter uns so fort.

Und mal ehrlich: Wie ist es denn mit unserer eigenen Disziplin? Also für mich beginnt das jeden Monat aufs Neue mit der Umsatzsteuervoranmeldung. Geschweige denn einmal im Jahr mit dem Jahresabschluss und dazu noch der eigenen Einkommensteuererklärung. Also, wie war das mit der Disziplin? Vielleicht erinnern Sie sich an das Lied der Gruppe „Wir sind Helden“ mit dem Titel „Wir müssen nur wollen“„

Wir können alles schaffen wie die dressierten Affen – wir müssen nur wollen...“ ist da laut und deutlich zu hören. Von diesem Lied war ein Kunde einmal so begeistert, dass er es unbedingt als Titelmusik für eine Großgruppenveranstaltung der Vertriebsorganisation spielen wollte. Musikalische Ironie ist manchmal einfach schwer zu verstehen. Und wer wissen will, ob er es spielen durfte soll sich mal mit mir in Verbindung setzen.

Also, nur wollen zu müssen ist wohl keine Lösung. Und offenbar scheint es Menschen zu geben, die sich manchmal einfach besser in den eigenen Hintern treten können als andere. Nur: Muss das denn immer sein? Ich möchte Ihnen mal etwas anderes anbieten. In seinem Buch Der Weg zum erfolgreichen Unternehmer

beschreibt Stefan Merath eine wunderbare Umdeutung:

Disziplin ist die Kunst, die Dinge die man tun muss gerne zu tun!

Wow. Ist wohl nix mit Hintern treten? Disziplin ist die Kunst, also nicht nur Handwerk. Nicht nur Aufgabenlisten, nicht nur verplante Zeit auf Minutenebene, nicht nur die Fähigkeit der Abspaltung emotionaler Anteile, die einen dann einfach nicht mehr spüren lassen, dass man etwas macht, was einem eigentlich auf die Nerven geht. Dinge die man tun muss gerne tun. Das ist schon ganz schön schwer. Aber packen wir’s an. Ein paar Beispiele gefällig? OK: Da wären zunächst die Arbeitsmittel. Ich stelle fest, dass mir manche Arbeiten wesentlich mehr Spaß machen, wenn die Arbeitsmittel, die ich dafür nutze einfach schön und gut nutzbar sind. Nicht umsonst bin ich von PC auf Apple umgestiegen. Da macht sogar die Aufgabenliste doppelt so viel Freude (ich nutze übrigens die Applikation Things für iphone & Mac). Oder die Stifte für das Beschreiben von Flipcharts oder, oder, oder. Im Prinzip gilt das für jedes Werkzeug, das ich mehr als einmal im Jahr gebrauche bis zu meinem Lieblingsstift für Konzepte auf meinem Schreibtisch in München. Was? Zu banal? Bitte schön, weitere Ideen: Mir fällt es manchmal leichter stupide Arbeiten im Dialog zu führen. So haben wir nun für die vorbereitende Buchhaltung eine gute Fee, die uns dabei hilft. OK, sie macht schon ziemlich viel von dem Papierkram und ich habe einfach mehr Zeit für wesentliche Dinge (und Kunden). Aber wir sprechen schon auch über ihre Arbeit. Und siehe da, es macht auf einmal mehr Spaß das mit einem freundlichen Menschen zu erledigen. Noch mehr Beispiele? Rufen Sie mich an und vereinbaren Sie einen Coaching-Termin ;-)

Das war’s schon? Nein, halt, stopp: Da ist noch was. Und zwar meine Meinung: Spätestens mit dem 18ten Lebensjahr ist die Verantwortung für unsere eigene Erziehung auf uns übergegangen. Wir sind also unsere eigenen besten Erziehungsberechtigten. Und das mit 18 Jahren. Dumm nur, dass uns die Schule das nicht wirklich beigebracht hat, wie wir uns am besten selbst beeltern. Und so überlassen wir das dann auch irgendwann anderen: Dem Ehemann, der Ehefrau, dem Chef, dem Kollegen, einem Freund / einer Freundin oder schlimmstenfalls den eigenen Kindern. Selbst der Hund geht mit uns spazieren und nicht umgekehrt. Es muss jedem von uns klar werden, dass wir diejenigen sind, die unser Lernen und die Führung durch das Leben in die Hand nehmen sollten. Wenn es nicht gelingt oder man es nicht wirklich selber glaubt, lässt sich viel mit den eigenen Glaubenssätzen daran arbeiten bis das besser klappt. Solange die Kontrolle darüber bei anderen liegt, wird Disziplin etwas sein, was andere einem beibringen und nicht man selbst. Wer sich jetzt ein wenig ertappt fühlt dem gebe ich noch einen Rat (also etwas, was man normalerweise nicht von Coaches bekommt): Denke sie diese Tatsache öfter einmal durch. Erinnern Sie sich. Durch Kärtchen in Hosentaschen oder Post-its am Spiegel oder im Notizbuch. Je öfter Ihnen dieser Sachverhalt klar wird, desto eher wird sich etwas ändern. Und: Lernen Sie. Lesen Sie Bücher. Besuchen Sie Seminare. Nicht nur weil ich selbst Seminare anbiete. Ich besuche jedes Jahr selbst welche...So, falls Sie sich immer noch gerne ein wenig fremd steuern wollen, geben Sie wenigstens das Ziel vor. Die effektivste Erinnerung steht oftmals nicht in ihrem Kalender oder ihrer Aufgabenliste, sondern steht auf 2 Beinen vor ihnen. Und ich meine nicht nur ihre Frau oder ihr Mann am Hochzeitstag, wenn sie ihn mal wieder vergessen haben ;-)

Gerne natürlich ihre Frau oder ihr Mann die sie an ihr Vorhaben z.B. mehr Sport zu machen freundlich erinnert. Oder einen Termin mit Ihnen dafür macht. Oder ihr Geschäftspartner, der sie daran erinnert, gewissen Aspekte ihrer neuen Vertriebsstrategie umzusetzen. Oder ihre Assistentin, die sie daran erinnert, ihre Termine mit sich selbst einzuhalten oder ihre Pausen vor Terminen frei hält. Höchst effektiv sage ich Ihnen. Letzt endlich ist Disziplin auch ein Zustand in dem sie keine Wahl haben, als die Aktivitäten auch wirklich umzusetzen UND Spaß dabei zu haben Die Verhandlungen mit einem schwierigen Kunden zum Beispiel, der vielleicht gerade nicht zahlen will. Wie wäre es, wenn sie die Situation nutzen um zusätzliches Geschäft zu akquirieren und ihn zum Zahlen bewegen indem sie einmal wirklich ihre Kundenorientierung üben? Ich höre schon die Klagen: „bei mir funktioniert das nicht, der Kunde ist wirklich ein schlechter Kunde.“ OK, andere Variante: Üben Sie sich in Geduld und Nachsicht. Es gibt jeden Tag unendlich viele Möglichkeiten sich darin zu üben. Und Aggressivität, schlechte Laune, Wut, Ärger sind einfach keine Gefühle, die in irgendeiner Weise zu mehr Produktivität beitragen würden. Leichter gesagt als getan? Vielleicht. Vergessen Sie nicht: Das Leben besteht zum großen Teil aus Übung. Keiner erwartet, dass Sie viele Dinge gleich perfekt können. Und so ist es auch mit Gelassenheit. Jedenfalls habe ich heute Nachmittag schon mal nicht mehr geflucht, als ich an der Stadtausfahrt zum zweiten mal innerhalb von 2 Wochen geblitzt wurde. Was für eine Gelegenheit Gelassenheit zu üben. Und der Ärger bringt nichts: Er macht das Knöllchen leider nicht billiger und ich war wirklich zu schnell und könnte mal meinen Gasfuß entspannen bzw. einfach früher zum Flughafen losfahren.

Übrigens hier ein schöner Blogbeitrag von Bernd Schmid zum Thema „Üben“.

So, zu guter Letzt noch ein Punkt: Ich meine, wir haben in Organisationen häufig keine Kultur des Innehaltens und der Pausenkultur. Wer fühlt sich bei folgender Beschreibung ertappt: „Während dem Meeting war mir langweilig ich wusste nicht so recht was ich tun sollte, also stellte ich mir einige schöne Szenen des letzten Wochenendes vor. Anschließend machte ich mir eine Vorstellung vom nächsten Wochenende. Dann kam die Pause. Und außer Small Talk und Kaffeetrinken (meine 5te Tasse heute) kam auch nicht mehr dabei raus...“

Wo ist die Kultur des Innehaltens? Des Nachdenkens über das gerade gesprochene Wort und eine eigene Überlegung über die guten nächsten Schritte, die in aller Ruhe besprochen und geklärt werden? Gibt’s nicht? Mit so einfachen Inter-Rupturen erreiche ich gerade in verfahrenen Workshop Situationen erstaunliche Erfolge, wenn es gelingt alle Beteiligten daran zu erinnern was es bedeutet sich zu be-sinnen. Und Pausen dienen der Erholung. In großen Unternehmen gibt es schon gleich gar keine Möglichkeit Pausen wirklich erholsam zu gestalten. Oder gibt es etwa bei Ihnen eine Möglichkeit, sich mal für 20 Minuten zurückzuziehen? Wenn sie Glück haben, können Sie noch mal um die Gebäude spazieren gehen (aber nur nach dem Mittagessen).

Für alle, die sich mal mit guter Pausengestaltung auseinandersetzen wollen um wirklich die Produktivität zu erhöhen, denen empfehle ich das Buch 20 Minuten Pause

von Ernesto Rossi. Das ist ein lesbares wissenschaftliches Buch zum Thema. Für alle, die die Möglichkeit haben etwas an ihrer Pausengestaltung zu machen eigentlich eine Pflichtlektüre.

Wo ist Sie die Kultur der „Wartung?“. Wenn man mal warten muss, dann wäre es doch manchmal hilfreich sich in seinem eigenen Körper einmal einzufinden um herauszufinden, ob er in einem guten Zustand ist.

Eine nach unten offene Aufzählung. Wo sind ihre Erkenntnisse zu dem Thema Disziplin? Wie haben Sie sich „erzogen“? Ich wäre neugierig auf ihre Beispiele und lade Sie ein hier zu kommentieren...

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